11.04.12

HENNEF [??|06|02]

Die mehr oder minder exquisiten Ergüsse bezüglich einer nicht-mehr-ganz-Karriere mit Stationen zwischen Crailsheim und Weißenhorn ersparen wir uns und schreiten direkt zum Altar. Ein Jahr durch die Provinz getingelt, um wieder am Anfang anzukommen, der Kreis schließt sich.

HENNEF [ein|jahr|später]

Gestern noch bei Gluthitze im Zelt zwanzig Kilometer von hier beste Stimmung. Und heute ein bedeckter Himmel, die Nationalmannschaft hat sich weitergekickt und alle sind irgendwie, man verzeihe den Ausdruck, undrauf. Ich begleite Ace zu den Kellies ans Hyatt, wo er sich ein paar Tipps bezüglich seiner neuen Karriere als Marathon-Mann holen will. Das Gespräch wird umlagert von einer wachsenden Zahl jugendlicher Fans, die mit Autogrammwünschen anstehen. "Das wäre definitv nichts für mich!", denke ich mir.
Später dann endlose Warterei. Beschissene, langweilige Warterei. Zeitvernichtung. Das Übels schlechthin in unserem Geschäft. Ich wünschte mir, ich hätte ein Laptop da, um arbeiten zu können. Endlich Soundcheck, Sarahs Halbplayback klappt bestens und die versammelte Technikercrew zieht anerkennende die Brauen nach oben. "Tolle Stimme!", so das einhellige Urteil.
Wieder Warten, eine Vorband nach der anderen erklimmt die Bühne, der Saal füllt sich nur schleppend. Die Veranstaltung gestern mit einem fast identischen Billing nur in Spuckweite von Hennef, hat sichtlich dem heutigen Zulauf geschadet. Es fehlt der Schwung, der gestern noch zu einem guten Konzert beitrug. Endlich kommt unsere Ansage, leider gibt es eine Verwechslung, denn statt den Rosen soll erst Sarah ihre Handvoll Songs zum ersten Mal vor Publikum ausprobieren. Tom rettet die peinliche Situation mit einer lockeren Moderation. Sarah und ich beziehen Position, das Playback fährt ab und unser kleines Vorprogramm rollt. Ein paar im Publikum verteilte Musikerpolizisten sehen mir akribisch genau auf die Finger, können's gar nicht glauben, was da für eine Soundwand aus dem spillerigen alten ESQ rollen soll. Ich kann den Scheiß locker mitspielen (ich hab den Scheiß geschrieben) und bin sowieso nur als Souffleur und mentale Stütze für Sarah mit auf den Brettern. Trotzdem der Entschluss, nie mehr eine instrumentale Playback-show zu spielen. Sarah besteht ihre Feuertaufe und erntet mehr als Höflichkeitsapplaus. Eine Zigarette später sind die Rosen on stage.
Die Setlist wurde geändert, es gibt einige alte, lange nicht mehr gespielte Titel zu hören. ALERT eröffnet die Show und beim zweiten Song, METAMORPHIC DREAMER, steige ich ein. Ab diesem Moment finden zwei getrennte Konzerte statt. Eines, wie es Band und Publikum erleben. Das andere in der Milanozone, der mit der Technik seines Oberheim kämpft. Aussetzer, Soundverschiebungen, Störtöne. Ich könnte kotzen. Nicht nur, dass ich der einzige Arsch bin, der nach der Show wieder auf die Bühne muss, um seinen Kram abzubauen, weil es keinen Rosentechniker gibt, der das für mich macht, nein, jetzt versagt auch noch genau der Kram seine Dienste. Dass dabei unten in der Menge zwei Kellies als unsere Ehrengäste wild headbangen, nutzte meiner Trauerstimmung nichts. Es wird zum Debakel und ich sage nach der Show zu Tino: "Das war mit großem Abstand die übelste Scheiße, die ich jemals abgeliefert habe."

Frustriert und müde sitze ich sechzehn Stunden später wieder am Bahnhof in Karlsruhe und denke über diesen kurzen Blitzkrieg nach: Vor genau 48 Stunden haben mich die Jungs hier aufgegabelt. Zwischen meiner Abfahrt in Freiburg und der Heimkehr liegen 60 Stunden. Bei Tom dürften es noch mehr sein. Ich habe etwa 17 Stunden auf Bahnhöfen, in Zügen und dem Van verbracht, insgesamt neun Stunden geschlafen, etwa eine Stunde Soundcheck gemacht und drei Stunden gespielt. Macht 30 Stunden reine Wartezeit. Plus, wenn man die einzelnen Anreisewege addiert, ein paar tausend Kilometer gefressene Strecke. Soll noch einer sagen, alte Säcke würden sich nicht anstrengen. Das war's mit den Rosen bis auf weiteres und wir wissen alle, dass da etwas ganz, ganz dringend geändert werden muss.

Monate später treffen wir uns in Ulm, der Gedanke eines neuen Albums sorgt für Euphorie. Wir wollen ein letztes Mal den Hammer schwingen und mit einem fetten Heavyrockalbum den Abschied nehmen. Dann sollte nahtlos die Arbeit an einem neuen Projekt beginnen: Mo'Sez Rain sollte uns all die Freiheiten garantieren, die bei CR durch die schwermetallhaltige Vergangenheit nicht denkbar waren. Für die Kuttenträger deshalb nochmals die Ramme, nicht um aufzugeben, sondern um erhobenen Hauptes abzutreten. "Seht Ihr, so macht man das!" Finanziert werden sollte das letzte Album durch eine Japanoption. Songs hatten Wuller und ich bereits genügend in der Tasche. Man müsste sich nur demnächst treffen und mit der Arbeit anfangen. Müsste...

Ein untätiges Jahr später ist allen Beteiligten klar, dass die Band wohl nicht mehr existiert. Schade, das. Nicht ein Song wurde ausgearbeitet und die Einträge der Neugierigen auf unserer Website werden spärlicher. Statt der erhofften und geplanten Detonation zum stolzen Abschluss, ist die Band dann doch einfach versickert.

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