06.08.12

Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich!

Notizen vom unbekannten Toten
What happens in Vegas stays in Vegas


Auf der kleinen, vom Wald umsäumten Sandinsel im Bach, der vor unserem Haus fließt, fanden Arbeiter vor nicht allzu langer Zeit die Überreste eine Mannes. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug, rahmengenähte Budapester und eine abgewetzte Ledermappe die ihn, -schwer zu schätzen, aber sicher jenseits der Vierzig- wohl schon zu Schulzeiten begleitet hatte. Darin fanden sich vollgeschriebene Schulhefte und auch ausgedruckte Seiten; Notizen, Texte, Zahlen, Gekritzel, die meisten zur Unkenntlichkeit vergammelt. Wie übrigens auch der sie vermutlich einst verfassende, unbekannte Herr. Das Leibliche ist flüchtig, Schatten sind wir, et cetera, ad nauseam.

Es sollen hier nun gelegentlich einige der lesbaren Relikte das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Beim folgenden Text handelt es sich um ein Manuskript eines Buchprojekts mit dem Titel "Frauenhasser", das der Unbekannte diversen Notizen zufolge mit einer Co-Autorin (!) zu veröffentlichen plante.

Frauenhasser I, 7. Oktober 2010

"Lass uns alles teilen: dein Geld und meine Probleme!"

So könnte das Credo lauten, das eine moderne Frau an den modernen Mann stellt. Wenn man nur die Befindlichkeit des weiblichen Organismus' und die damit verbundene massive Werbepower betrachtet! Überall Spots für Slipeinlagen und Tampons, Präparate gegen Verstopfung. Von der Beauty- und Wellness-Abteilung zu schweigen. Haar wird voluminöser, fester, dicker, schöner. Haut wird jünger, straffer, glatter, reiner. Alle Frauen wollen jung und knackig aussehen, wie es scheint. Und dann natürlich die Kosmetik und die Mode. Zillionen von Prospektseiten mit aktuellen Modellen in Sachen Eyeliner und Slip, Lidschatten und Übergangsmäntelchen.

Und wenn die gestylte, gewellnesste, knackige Frau dann vor uns steht und wir ihr an die Wäsche wollen, heißt es: "Halt, Chauvinist! Ich bin doch nicht nur ein Körper, du Schwein, du sexistisches!" Soll wahrscheinlich heißen, dass da auch ein Kopf, ergo: ein Geist anzutreffen ist. Gut. Dann will ich mich unterhalten mit diesem Menschen, der über einen Geist verfügt. Über Musik vielleicht, Bach oder Eels, egal. Über Literatur, von Goethe bis Manga ist alles recht. Oder Kunst? Gerne! Monet? Manet? Anselm Kiefer? Wie es dir beliebt, Schatz!

Aber, was kommt? "Gestern hab ich die Soundso getroffen, weia, ist die alt geworden!"

Was soll der Dreck? Frauen haben einmal im Monat ihre Periode. Punkt. Auch Männer kennen den Biorhythmus. Soll ich über den täglichen Zustand meines Gliedes berichten ("Heut früh hatte ich seit Monaten mal keine Erektion, ich mach mir Sorgen, Schatz!")? Oder wie mein Stuhlgang auf die Zufuhr von Steak und Bier im Gegensatz zu Tofu und Grüntee reagiert? Nein! Männer haben einen Körper, der funktioniert, wie er funktioniert und damit hat sich's.

Also echt: einmal eine treffen, die einen eigenen Musikgeschmack hat und deren Sammlung nicht aus den Geschenken und Ratschlägen ihrer ehemaligen Stecher besteht. Einmal eine treffen, wenn es um Politik geht, die sich traut zu sagen: "Keine Ahnung", anstatt entweder über ihre schwierige persönliche Situation oder das Leid der Frau in der dritten Welt zu schwadronieren. Ich habe auch keine Ahnung, aber eine Meinung und genau die sage ich: "Meiner Meinung nach sind alle Politiker Lügner!"

"Aber der Schröder sah gut aus!", kommt dann. Ende der Debatte.

Wenn ein Mann sehr beschäftigt ist, mit seiner Arbeit, vielleicht einem Bild, weil er malt, oder seiner Band, weil er Musiker ist, oder seiner Fußballmannschaft, weil er spielt oder eine trainiert, dann kommt bald der Punkt, an dem die Frau sagt: "Wir haben so wenig Zeit füreinander". Das sagt sie natürlich nicht einfach so, direkt am Abendessen, zum Beispiel. Das sagt sie nach einem langen Problemgespräch, bei dem er sich wand und verrenkte, um ihr Genüge zu tun. Tränen sind auch gern im Spiel. Wenn sie das Gefühl hat, dass sich das Männchen angemessen abgestrampelt hat, dann kommt dieser Satz. Der ja die Diskussion an sich erst eröffnet.

"Die Weibchen brauchen viel Zuwendung", könnte es in der Tierhandlung heißen. Aber wenn die Weibchen mittlerweile Astronautinnen oder Ärztinnen oder Profikillerinnen sind? Egal. Im Hirn des Weibchens läuft stets derselbe kurze Satz mit dem unerbittlichen Rhythmus eine Metronoms: "Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich. Ich!"

Wenn die Frau sehr beschäftigt ist mit ihrer Arbeit, vielleicht einem Bild, weil sie malt, oder ihrer Band, weil sie Musikerin ist, oder ihrer Fußballmannschaft, weil sie spielt oder eine trainiert, dann kommt bald der Punkt, an dem sie sagt: "Du kümmerst dich zu wenig um meine Probleme." Auch das kommt nie direkt, immer über Umwege: das Abendessen, Tränen, Schluchzen, bla. "Ich. Ich. Ich!"


Und so weiter, und so fort.

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