26.07.11

Bier ist auch Heimat

Gebeutelt von der Eurokrise (oder war das jetzt die Finanzkrise?), genervt von der Griechenlandkrise, amüsiert von all den Doktorarbeitskrisen samt sich prompt anschließenden halbseidenen Diskussionen, entsetzt vom Massaker in Norwegen und traurig über den Tod von Michael Burston und Amy Winehouse griff ich zur Volksdroge.

Bier hier in Franken fließt reichlich und in stets höchst trinkbarer Qualität. Und doch kam ein Hauch von Wehmut auf nach dem einst geschmähten Ganter: wäre das nicht ein Abend gewesen, um all die fremde Last -von einer sich immer schneller in medial aufgeblasener Pockennarbenhaut wälzenden Welt aufgebürdet- zu vergessen, irgendwo in den Straßen der kleinsten Großstadt Deutschlands?

Vielleicht im Stühlinger Egon ein schnelles Export an einem der beiden Tische vorm Haus, stets auf der Hut, nicht vom oben wohnenden Lippenschnipper die Asche der Abendzigarette ins Bier, nun ja, geschnippt zu kriegen? Oder im Theatercafé dem Treiben der sexy Studenten zu folgen, die ihr sexy Leben mit Tannenzäpfle in der Linken und Smartphone in der Rechten sexy meistern. Und dabei ein paar Unterhaltungen aufschnappen, des Inhalts, dass die Kellnerin ja eigentlich Schaupielerin/Sängerin/Tänzerin/Malerin sei und ihr Freund mit ein paar Kollegen so ein Webdesignding aufzieht, also demnächst, irgendwie, wenn das mit den Räumen und der Kohle, ist aber auch schwer in dieser Stadt was zu kriegen, bezahlbar und zentral.

Nein, vermutlich wäre der Abend im Feierling-Biergarten geschehen, wo sich bei schönem Wetter die Menschen die Füße gegenseitig in den Kies trampeln und links und rechts den Ärmelstoff auf Hochglanz scheuern vor lauter Andrang. Das Bier ist trüb, kalt und süffig und nur Narren planen, sich hier zu treffen, um dann um die Häuser zu ziehen: eins ist weg wie keins, das zweite ist das dritte, im Freien kann man rauchen, dann holt wer eine Runde und flugs ist es zu spät. Glücklich, wer dann eine Bleibe in der Altstadt hat und nicht mehr Kilometer um Kilometer mit der Straßenbahn in die wuchernden Wohnparks am Stadtrand gondeln muss.

Auch wenn in dieser kleinsten Großstadt Deutschlands der Bio-Öko-Double-Akademiker-Income-With-Kids-(und was für verzogene Nervensägen zum Teil!)-Irrsinn regiert... Die stattliche Mülltonne erhält je nach pekuniärem Ablass eine Innenwanne in der Größe einer handelsüblichen Salatschale. Wer hier nicht trennt, der leidet! Und wehe, wenn ein durch die Hinterhöfe streifender Tourist unbemerkt seine Wasser-, Cola-, Bierflasche darin deponiert: dann bleibt die Tonne stehen. Samt Hinweiszettel verfasst in relativ deutlichen Worten. Ich war damals dankbar, dass die Müllmänner mir den Inhalt der Tonne nicht als kompostierbaren Denkzettel durch den Briefschlitz pressten.

Hier, in Unterfranken auf dem Land, wird auf Mülltrennungsschilder geschossen. Also nach Freiburg ziehen die nie...!

Irgendwann schreibe ich auch mal was zu den Beulen in den Türen meiner italienischen Schönheit, verursacht durch rohe Tritte entrüsteter Radler. Wer in der Altstadt/Fußgängerzone wohnt, darf als Anwohner kurzzeitig sein Vehikel zum Be- und Entladen abstellen. Ein Minivan mit drei Kindersitzen bliebe vermutlich ewig unbemängelt, aber dieses italienische Cabrio mit den schwarzen Ledersitzen reizte den korrekten Bürger dann doch bis und über die Grenzen des zivilen Ungehorsams. Ökologischer Fußabdruck, Raser, Verschwender, Chauvinist: dieses Auto war der Feind! Dabei war der Wagen damals schon alt und sicher hatte auch mindestens die Hälfte der tretenden Fjällrävenmafia -oder zumindest ihre Eltern, die ihnen ein sorgloses Studiendasein im sonnigen Süden finanzierten- locker das fünffache meines Monatsbudgets. Fucking morons!

Thus spoke Milano -und einheimisches Bier getrunken- geht es schon wieder deutlich besser. Menschen sterben, zur Unzeit oft. Politiker lügen, meist. Beim Titel, beim Geld, beim Krieg; ein weites Feld tut sich da auf. Und die Smarties in den Banken sind noch glatter als die gewählten Volksvertreterdarsteller. Dass die Anhäufung von Gutmenschen, frei von finanziellen Nöten, in vorzugsweise mildem Klima diese bald in Bessermenschen mit Botschaft verwandelt? Drauf gepfiffen! Ich geh nicht in den Süden, Breisgau kucken: Bier ist auch Landschaft, kleine Krise abgewandt.

Und morgen streich ich die Wand unter der Kellertreppe, hab ja schließlich was zu tun beim Umzug.

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