29.07.11

SIeben tödliche Unfälle im Haushalt


Das oben Geschriebene* kam mir in den Sinn, als ich von Bernd Clüvers Tod las. Der zweite Gedanke galt der Reaktion der Lesenden jenseits der 30; eine Kiste Wein auf folgende Doppelbehauptung:

a) mehr als die Hälfte schmunzelten mindestens oder grinsten sogar dümmlich**

b) mehr als drei Viertel pfiffen, summten oder sangen sofort widerstandslos Auszüge aus "Der Junge mit der Mundharmonika".

Es liegt in der Natur der Sache, dass o.a. Thesen die Stochastik an ihre Grenzen treiben. Will sagen, man wird es nie erfahren. Wenden wir uns deshalb den Sternchen zu, und zwar gewissermaßen a tergo.

** Clüver und Schlagerkollegen beherrschten spätestens ab den frühen Siebzigern die deutsche Hitparade. Und somit das Radio und  Unterhaltungssendungen im Fernsehen. Sie waren nolens volens ein Teil der Sozialisation damals Heranwachsender. Schlager ist im Kern eine treffende Übersetzung des englischen Hits, wurde aber bald zu einem absoluten Unwort, zur Seite gefegt von Punk und New Wave und Heavy Metal, als die entsprechenden Wellen der Jugendverderbnis endlich die einheimischen Gestade erreichten.

Erst als die Clash-Hörer von einst das Elternalter erreicht hatten, konnten Gestalten wie Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn den vermeintlichen Terror der Kindheit ironisch gebrochen wieder auf die Bretter, die die Welt bedeuten sollen, führen. Wer hat schon was gegen eine Bad-Taste-Party samt Ballonseide und Pornobalken unter der Nase? Es gibt ja auch bald ein Bud-Spencer-Bad in Schwäbisch Gmünd, das dann vermutlich voll witzig Freibud heißt.

"What if" hieß eine alte Serie der Marvelcomics; was wäre, wenn Bernd Clüver einen Produzenten gefunden hätte vom Format eines Rick Rubin? Völlig frei von Vorurteilen, auf der Suche nach dem Kern des Werkes? Gunter Gabriel hat es versucht, sich aber zumindest für die Kein-Stuttgart-21-Fraktion schon mal im Titel seines Albums vergriffen: das Wort "Volk" ist dann doch eher, wie soll man sagen, sehr besetzt. Ansonsten geht die Idee klar, Johnny Cashs Alterswerk als Vorbild zu nehmen.


Auch dieser Herr hat kürzlich seine sterbliche Hülle verlassen. Michael Burston war unter seinem nom de guerre Würzel einer treuen Schar von Motörheadfans nicht nur ein Begriff, sondern ein kleines Idol. Motörhead waren das ab!so!lu!te! Gegenteil von Schlager: Lärm, Leder, Drogen, Weiber, auf die Fresse, um die Welt! Sein Ausstieg aus der Band wurde von vielen als schmerzhafter Verlust von Originalität empfunden, der Verfasser dieser Zeilen schließt sich hier mit ein.

Heute sorgt die Altersweisheit für die Einsicht, dass auch ein, sagenmal, Jürgen Drews -außer Lärm und um die Welt- obige Checkliste abgehakt hat. Es soll hier keine Lanze gebrochen werden für volkstümelnde Humptahumptakacke, außer der Sache mit der Mundharmonika fällt mir aus dem Stegreif auch kein zweiter Titel von Herrn Clüver ein.

Es geht eher darum (Vorsicht -Streicher, bitte!-: Sentimentalität), den Menschen hinter der Fönfrisur zu sehen. Der große Stephan Eicher hat dazu ein wunderbares Lied verfasst: E * (und dieser Stern hat nix mit den vorhergehenden zu tun, das Stück heißt so). Schlager waren nicht entknüpfbarer Teil der Kindheit und ich kann -mit einem jährlich leiser werdenden "leider"- heute noch mehr Texte von Peter Alexander auswendig, als von Led Zeppelin.


Und schließlich: * eines der beliebtesten (hargh! hargh! hargh!) Stücke von Die Tödliche Doris und wer die nicht kennt, hat ja vor lauter Ideal und Fehlfarben -oder, o Graus!, Hubert Kah und Frl. Menke- vergessen, dass es hinter den Neubauten auch noch was gab.

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